Vulkan Cotopaxi (5897m)
Nachdem uns die Aussicht in Quito so gut gefallen hat, schauen wir uns nach weiteren Touren in der Umgebung um. Wir entdecken ein nettes kleines Reisebüro, welches und freundlicherweise direkt an den Veranstalter einer Tour zum beeindruckenden Cotopaxi (Zweithöchster Berg in Ecuador und der höchste aktive Vulkan der Welt) weiterschickt. Das kleine Geschäft ist gut sortiert und überall hängen Bilder von den glücklichen Reisenden, die die verschiedensten Gipfel erklommen haben. Wir erkundigen uns nach den Bedingungen und Anforderungen die eine solche Wanderung erfordert. „Alles kein Problem, man braucht keine Erfahrung, das ist alles leicht.“, versichert uns der Chef des Hauses „…und das Wetter wird auch super.“ Wir sind trotzdem noch ein bisschen unsicher und haben Respekt vor der Höhe. Am nächsten Tag entschließen wir uns das Abenteuer von Samstag auf Sonntag zu buchen und staunen nicht schlecht, als wir die ganze Ausrüstung anprobieren müssen: Bergstiefel, Steigeisen, Fleecehosen, Regenhosen, Sturmhaube, 2 Paar Handschuhe, Stirnlampe und einen Eispickel gibt es auch noch dazu.
Samstag 8:00 Uhr morgens
Unsere Reisegruppe besteht aus acht Leuten, davon kann nur einer kein Deutsch, ein Engländer. Der Rest sind Bayern und ein Österreicher sowie eine Mexikanerin, die in Deutschland lebt. Die Jungs machen einen fitten Eindruck und sind alle nett und lustig. Nachdem jeder seinen Rucksack gepackt hat, geht die Fahrt los in den Parce National Cotopaxi. An einer Hütte kurz vor dem Parkplatz ziehen wir uns dann Berg-, Regen- und Kältefest an. Gegen 12:30 Uhr erreichen wir den Parkplatz, von dem aus es zu Fuß weitergeht.
Das Wetter ist leider nicht mehr so gut und es ist bewölkt und nieselt. Wir tragen unsere Ausrüstung und das gekaufte Essen für uns. Es geht eine Stunde lang steil bergauf und wir legen in dieser Zeit gerade mal ca. 200 Höhenmeter zurück. An der Hütte auf bereits 4800 Metern angekommen (entspricht der Höhe des Mont Blanc), fällt uns als erstes die klirrende Kälte auf. Es gibt keine Heizung, keinen Ofen, nichts in der Art. Unsere Handschuhe und Jacken sind vom Aufstieg bereits durchnässt und wir fragen uns, wie das ganze Zeug trocknen soll.
Der Nachmittag
Nach unserer Ankunft bekommen wir lecker Mittagessen und danach legen sich die meisten erst mal eine Runden hin. Das Schlafen klappt aber nicht wirklich, da die ca. 5°C Zimmertemperatur einen wachen Körper erfordern, der sich durch ständiges Zittern am Leben hält.
Zwei Stunden später gibt es zum Glück schon Abendessen mit einer warmen Suppe und viel Tee. Trotz der eisigen Temperatur ist es lustig und gesellig am Tisch. Das Wetter ist leider noch immer schlecht und alle hoffen auf Besserung. Wir bekommen ein paar Informationen zur Höhenkrankheit, von der wir bisher verschont blieben, und zum Ablauf des Aufstiegs: Um Mitternacht werden wir geweckt, dann gibt es ein kleines Frühstück und um 1 Uhr soll es dann losgehen mit dem siebenstündigen Aufstieg. Wir haben also noch 5 Stunden… Da wir aber erst noch unsere bereits durchnässten Handschuhe im Gasofen trocknen müssen, kommen wir erst eine Stunde später ins Bett, was aber nicht weiter schlimm ist, da wir ohnehin nicht schlafen können. Trotz zwei Paar Socken, zwei Hosen und Skiunterwäsche, T-Shirt, Longsleeve und Fleecejacke, ist es im Schlafsack bitterkalt und so sehnen wir uns danach, dass es endlich losgeht. Solche vier Stunden können verdammt lange sein.
Der Aufstieg
Um viertel nach zwölf heißt es dann, dass wir noch eine weitere Stunde warten müssen, da das Wetter noch so schlecht ist. Wir stehentrotzdem auf, und trinken schon mal einen Tee, um die Körpertemperatur wieder auf ein gesundes Maß zu bringen. Fabian erwischt es dann doch noch mit der Höhenkrankheit der Stufe 2 von 3 (Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Erbrechen), aber nach Ausübung des letzteren Symptoms geht es schon wieder besser. Kurz nach 1 Uhr gibt es dann Frühstück, aber kaum jemand kann etwas essen, da die meisten nicht richtig geschlafen haben. Danach ziehen wir alle Klamotten an, die wir dabei haben und um 2 Uhr laufen wir endlich los. Das Wetter ist immer noch schlecht und der Wind schießt uns den Schnee ins Gesicht. An das Atmen unter diesen Bedingungen muss man sich erst gewöhnen. Wir gehen sehr langsam in kleinen Schritten voran, aber es ist trotzdem extrem anstrengend. Jeder größere Schritt jagt den Puls nochmals in die Höhe. Es ist zum Glück stockdunkel und so sehen wir nur wenige Meter weit und nicht, wie viel wir noch vor uns haben. Nach ca. 20 Minuten erreichen wir das Schneefeld und ziehen unsere Steigeisen an. Das Wetter bleibt schlecht.
Auf knapp 5000 Metern geht bei Nicole nichts mehr, gegen 4 Uhr morgens wird sie von der Höhenkrankreit besiegt und muss zusammen mit einer anderen Wanderin wieder zurück. Mittlerweile kommen auch andere Gruppen bereits wieder herunter. Das Laufen ist sehr anstrengend, aber die Kleidung hält zum Glück warm, obwohl die Oberfläche der Jacke komplett mit einer dünnen Eisschicht bedeckt ist. Nach weiteren zwei Stunden und der leider nur gefühlten Hälfte der Strecke sagt uns der Bergführer, dass wir unter diesen Wetterbedingungen noch ca. 6 Stunden vor uns haben! Aber egal, ich muss da hoch.
Gegen 5 Uhr sind nur noch 4 Kletterer zusammen mit 2 Bergführern unterwegs. Wir sind schon eine Weile angeseilt und können zwischendurch immerhin kurz die erleuchtete Stadt Quito in der Ferne sehen. Gegen 5:30 Uhr gibt es mal wieder eine Pause und zwei der vier übrig geblieben entschließen sich an dieser Stelle nicht mehr weiterzugehen. Wir haben die Hälfte der Höhenmeter zurückgelegt und das Ziel scheint erreichbar zu sein. Ich gehe zunächst davon aus, dass ein Bergführer mit den zwei Erschöpften hinuntersteigt und der andere mit mir und einem weiteren Kletterer weiterläuft. Leider täusche ich mich an dieser Stelle. Der eine Bergführer macht zwar genau diesen Vorschlag, aber der andere ist damit nicht einverstanden und möchte, dass entweder alle weitergehen oder alle absteigen. Somit ist natürlich klar, welcher Weg gegangen werden muss. Ich frage nochmal nach, ob wir denn nicht zu zweit weiter gehen können, aber der Entschluss der Bergführer scheint fest zu stehen. Ich bin in diesem Moment wahnsinnig enttäuscht, da ich es nicht verstehen kann. Das Wetter ist zwar nicht gut, aber auch nicht wesentlich schlechter geworden. All die Strapazen also umsonst. Ich weigere mich zunächst aufzustehen, muss mich dann aber doch damit abfinden, dass wir auf 5330 Meter Höhe umkehren. Während der Aufstieg bis hierher 3,5 Stunden gedauert hat, sind wir in nur einer Stunde wieder unten an der Hütte angekommen. Mittlerweile ist es auch hell geworden und so sehen wir wenigstens noch ein paar interessante Eisgebilde auf dem Gletscher. Meine Enttäuschung hat sich noch nicht gelegt und ich frage den Bergführer nochmals, warum wir nicht weitergegangen sind. Er sagt mir, dass das Wetter zu schlecht gewesen sei, was ich ihm aber nicht so recht glauben kann, da es sich ja nicht verschlechtert hat und er uns schon den Weg gezeigt hatte, wie es nach der Pause weitergegangen wäre. Ich denke wenn wir alle vier noch hätten weitergehen wollen, so wären wir bestimmt auch weitergegangen.
Wir sind der Meinung, dass die Agenturen diesen Trip niemals an so viele Leute verkaufen dürften, da es alles andere als eine gemütliche Wanderung ist und man schon sehr fit sein muss, um diesen Berg – auch bei gutem Wetter – erklimmen zu können. Auch das schlechte Wetter war absehbar wie wir im Nachhinein erfahren haben. Trotzdem war es für uns beide eine geniale Erfahrung, an die wir sicherlich noch oft zurückdenken werden. Wir haben beide jeweils einen persönlichen Höhenrekord aufgestellt, das ist ja auch schon mal etwas. Und mit anstrengenden Wanderungen, kalten Hostels und Toiletten ohne Spülung werden wir vorerst auch keine Probleme mehr haben 😉